014 - Michael Strogoff, Der Kurier des Zaren 2 by Jules Verne

014 - Michael Strogoff, Der Kurier des Zaren 2 by Jules Verne

Autor:Jules Verne [Verne, Jules]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2014-04-28T16:00:00+00:00


Achtes Kapitel

Ein Hase, der über den Weg läuft

Michael Strogoff konnte nun endlich glauben, daß die Straße bis nach Irkutsk frei sei. Er hatte die bei Tomsk zurückgehaltenen Tartaren gewiß weit überholt, und wenn die Soldaten des Emirs nach Krasnojarsk kamen, fanden sie da nur eine verlassene Stadt und außerdem keinerlei Hilfsmittel zur Überschreitung des Jenissei. Einige Tage Aufenthalt ergaben sich hieraus unzweifelhaft, da man erst eine hier noch dazu schwer anzubringende Schiffsbrücke schlagen mußte, um sich einen Übergang herzustellen.

Zum ersten Mal seit dem traurigen Zusammentreffen mit Iwan Ogareff in Omsk fühlte sich der Kurier des Zaren weniger beunruhigt und durfte hoffen, daß sich kein neues Hindernis zwischen ihm und seinem Ziel erheben werde.

Die Kibitka rollte nun schräg nach Südosten und traf nach einem Wege von etwa fünfzehn Werst wieder auf die lange Straße durch die Steppe.

Der Weg hier war gut, ja dieser Teil der Straße zwischen Krasnojarsk und Irkutsk wird sogar für den besten gehalten. Der Wagen erlitt keine Stöße durch unebenen Boden mehr, dichter Schatten schützte die Reisenden vor den Strahlen der Sonne, und manchmal erhoben sich hier Wälder von Fichten und Zedern, die sich wohl hundert Werst weit erstrecken. Hier dehnt sich nicht mehr die unendliche Steppe aus, deren Grenzlinie am Horizont mit der des Himmels verschmilzt. Doch dieses reiche Land war jetzt leer, alle Flecken und Dörfer verlassen. Hier gab es keine sibirischen Bauern mehr, die zum größten Teil einen slawischen Typus zeigen. Rings gähnte eine Wüste und, wie wir wissen, eine künstliche Wüste auf Befehl der Regierung.

Das Wetter hielt sich schön; bei den schon kühleren Nächten aber erwärmte sich die Luft nur schwer an den Strahlen der Sonne. Schon rückten die ersten Tage des Septembers heran, und in dieser in ziemlich hoher Breite gelegenen Gegend verkürzte sich zusehends der Bogen des Tagesgestirns über dem Horizont. Der Herbst währt hier nicht lange, obwohl dieser Teil des sibirischen Gebietes nicht über dem 55. Grad der Breite, also etwa so hoch wie Kopenhagen oder Edinburgh, liegt. Manchmal folgt sogar der Winter so gut wie unvermittelt auf den Sommer. Und hart treten diese Winter des asiatischen Rußlands auch auf, wenn man bedenkt, daß sie das Quecksilber im Thermometer nicht selten zum Gefrieren bringen (was ja erst bei ungefähr 42° unter Null geschieht) und man eine Temperatur von 20° für eine ganz erträgliche hält.

Die Witterung begünstigte also die Reisenden; sie war weder stürmisch noch regnerisch, die Hitze nur mäßig, die Nächte frisch. Nadias und Michael Strogoffs Gesundheit erhielt sich stets gut, ja seit der Abreise aus Tomsk hatten sie fast alle früheren Beschwerden vergessen.

Nicolaus Pigassof befand sich niemals besser als jetzt.

Ihm galt diese Reise für einen Spazierweg, eine angenehme Exkursion, mit der er seine freie Zeit als dienstloser Beamter ausfüllte.

»Ganz entschieden«, behauptete er, »ist das weit besser, als zwölf Stunden des Tages auf dem Stuhle am Schalter zu sitzen oder mit dem Manipulator (der Handgriff an den Telegrafenapparaten, mit dem die elektrischen Zeichen gegeben werden) zu arbeiten.«

Inzwischen gelang es Michael Strogoff auch, Nicolaus zu vermögen, daß er das Pferd in etwas schnelleren Gang brachte.



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